Der Bericht skizziert die Problemstellung, den Lösungsansatz mit DIVERA 24/7 und die Herausforderungen der Systemeinführung bei einer Freiwilligen Feuerwehr mit mehreren Löschzügen.
Der Bevölkerungsschutz in Deutschland stützt sich in großen Teilen auf das ehrenamtliche Engagement der Helfer. Nur durch die Bereitschaft jederzeit 'alles stehen und liegen zu lassen' und einem Einsatzauftrag nachzukommen, funktioniert der Bevölkerungsschutz.
Durch die gesellschaftlichen Veränderungen im Privat- und Berufsleben stehen zunehmend weniger Einsatzkräfte zur Verfügung. Die Anforderungen und Erwartungen an den Bevölkerungsschutz bleiben jedoch die gleichen oder steigen.
Neben diesen Veränderungen im Bereich der Verfügbarkeit von Einsatzkräften, hat sich auch deren Kommunikationsverhalten verändert. Während früher Aushänge am schwarzen Brett und Festnetztelefon die beiden Hauptkommunikationsmittel zur Informationsweitergabe und Organisation innerhalb der Einheit waren, so sind es heute Einträge in Chatgruppen, sozialen Medien und E-Mail.
Während man vor einigen Jahren noch sicher sein konnte, dass bei einem Alarm ausreichend Einsatzkräfte zur Verfügung stehen und jederzeit abkömmlich sein würden, so ist heute die fehlende Tagesalarmsicherheit ein allgegenwärtiges Thema aller Organisationen mit ehrenamtlichen Einsatzkräften.
So weiß die Leitstelle erst Minuten nach der Alarmierung, wie viele Kräfte kommen und wann diese zur Verfügung stehen. Dies gilt sowohl für Einsätze im eigenen Zuständigkeitsbereich, als auch bei Anforderungen von Nachbarleitstellen. Die Leitstelle kann adhoc nicht exakt beantworten, wann und in welcher Stärke die benötigten Kräfte zur Verfügung stehen werden.
Nach Einführung der verschiedenen taktischen Gliederungen zur überörtlichen Hilfe mehren sich die Einsätze in anderen Gebietskörperschaften und auch die organisationsübergreifende Zusammenarbeit rückt in den Fokus. Bei Alarmierungen zu diesen oft länger andauernden Einsätzen stellt sich die Frage, wie viele Kräfte die Leitstelle entsenden kann, ohne dabei den Grundschutz zu gefährden.
Nach einem Alarm treffen die ersten Kräfte an ihrer Unterkunft ein und stehen vor der Frage, ob sie sofort ausrücken sollen oder noch auf das Eintreffen weiterer Kräfte warten sollen. Warten die Kräfte, ohne das zusätzliches Personal eintrifft, wurde wertvolle Zeit vertan. Rücken die Kräfte sofort aus, geschieht dies ggf. unterbesetzt. Kurze Zeit später eintreffende Kräfte werden ggf. demotiviert oder treffen erst deutlich später mit dem nächsten Fahrzeug an der Einsatzstelle ein.
In sehr vielen ehrenamtlichen Organisationen wird daher versucht, diese Kommunikations- und Rückmeldelücke über eine Chatkommunikation zu kompensieren.
Da die Anbieter von gängigen kostenlosen Chatdiensten in der Regel im Ausland ansässig sind, stellt sich die Frage des Datenschutzes. Datenschutz betrifft dabei nicht nur die personenbezogenen Daten, sondern auch die Vertraulichkeit von Einsatz-Informationen. Häufig werden dienstliche Informationen unverschlüsselt über das Internet übertragen, ohne jedoch die Konsequenzen zu bedenken.
Ein Ansatz, die Zeitspanne des Informationsdefizits zu verkürzen, sind im Meldeempfänger integrierte Rückmeldesysteme, die unmittelbar nach einem Alarm bedient werden und signalisieren, ob man den Einsatz wahrnehmen kann oder nicht. Damit weiß die alarmierende Stelle schon kurze Zeit nach der Alarmierung, wie viele Kräfte tatsächlich zur Verfügung stehen.
Nachteilig bei diesen Systemen ist, dass sie kurz nach der Alarmierung bedient werden müssen und häufig die Anfahrt zur Wache stören. Ein weiteres Manko ist die rein quantitative Auswertung der Rückmeldungen – eine Validierung der zeitlichen Komponente im Hinblick auf die Schutzziele sowie die Erfüllung aller Einsatz-Funktion anhand der vorliegenden Qualifikationsprofile fehlt jedoch. Je nach System kommen diese Rückmeldungen ggf. verzögert an und stehen so erst 2-3 Minuten nach der Alarmierung umfassend zur Verfügung.
Die Freiwillige Feuerwehr hat sich im konkreten Fall bereits im Jahr 2014 ausführlich mit verschiedenen Programmen auseinandergesetzt um die Verfügbarkeit von Einsatzkräften zu ermitteln. Da die einzelnen Löschzüge der Freiwilligen Feuerwehr bereits verschiedene Lösungen im Gebrauch hatten, wurde eine Arbeitsgruppe auf Stadtebene ins Leben gerufen. Das Lastenheft hat folgende Funktionen gefordert:
Schutzzielmonitoring der einzelnen Löschzüge
Möglichkeiten zur Anonymisierung der Anzeigen
Anzeigen in den Gerätehäusern
Anzeige ob Fahrzeug qualifikationsgerecht besetzt werden kann
Möglichkeit der Vorausplanung um Ressourcenmangel zu erkennen
Verschlüsselte Übertragung
Qualifikationsbasierte Auswertungen
Push-Benachrichtigung bei Unterschreitung von Mindestausrückestärken
Informationsmanagement von Nachrichten, Umfragen und Terminen
Nach Sichtung der Marktlage und dem Test verschiedener Systeme konnte sich DIVERA 24/7aufgrund einer organisationsübergreifendem Monitorings und einer einfachen Bedienung für eine Erprobungsphase durchsetzen. Um die Akzeptanz eines solchen Systems in der Praxis zu eruieren, wurde ein sechsmonatiger Test unter Beteiligung aller ehrenamtlichen Feuerwehrleute vereinbart.
Das System basiert auf einer Webdatenbank, welche die Verfügbarkeit der Einsatzkräfte erfasst, auswertet und in verschiedenen Ansichten darstellt.
Die Meldung der Einsatzbereitschaft erfolgt dabei per App, über Telefon oder Webinterface und ist für die Einsatzkraft kostenfrei. Da jeder Einsatzkraft ein Qualifikationsprofil in der Datenbank hinterlegt ist, prüft das System anhand der zeitlichen Verfügbarkeit und des hinterlegten Qualifikationsprofils ob Fahrzeuge besetzt werden können und taktischen Vorgaben zur Erreichung vorgeschriebenen Schutzziele eingehalten werden. Die Abbildung 1 zeigt die Ansicht der Leitstelle mit den taktischen Stärken der einzelnen Standorte und den Schutzzielen. Für den Disponenten ist neben der taktischen Stärke auch die Einsatzbereitschaft der Fahrzeuge ersichtlich und spezielle Qualifikationen.
Auf Ebene des jeweiligen Standortes werden neben verschiedenen Monitoransichten auch bestimmte Qualifikationsmuster ständig geprüft. Vom Nutzer definierte Unterschreitungen, z.B. „zu wenig Atemschutzgeräteträger“ meldet das System an einen vordefinierten Personenkreis mittels Push- und Mail-Nachricht.
Ein wesentlicher Baustein ist das systemeigene Kommunikationsmodul, mit dem Informationen einheitsübergreifend als auch innerhalb der Einheit über verschlüsselte Verbindungen ausgetauscht werden können. Mittels Umfragen können Führungskräfte sehr schnell Informationen abfragen und erhalten innerhalb kurzer Zeit verbindliche Rückmeldungen, welche die Planungen im Dienst- und Einsatzalltag erleichtern.
Nach der Auswahl von DIVERA 24/7 wurden die Wünsche der Einsatzkräfte in mehreren Planungsrunden erörtert. Vor dem offiziellen Start wurden alle Löschzugführer und Administratoren der Einheiten in die Software eingewiesen, die fortan auch als Multiplikatoren in der eigenen Einheit fungieren konnten. Für die Testphase wurde auf die Ausrüstung der Gerätehäuser mit der empfohlenen IT-Infrastruktur und Internetanschluss zur Anzeige der Monitoransichten verzichtet. Um auch in diesem Bereich Erfahrungen zu sammeln, konnte jedoch auf einige Einheiten zurückgegriffen werden, welche die technische Ausstattung im Vorfeld über Eigenmittel oder den Förderverein beschafft hatten.
Während des Tests wurden nach Vorgabe der Wehrführung anonymisierte Daten erhoben, so dass Akzeptanz, Nutzerverhalten und die Einsatzbereitschaft rückblickend analysiert und bewertet werden können:
Die Auswertung der Datenbasis zeigt, dass es sich bei der Einführung um einen stetigen Prozess handelt, der über mehrere Monate verläuft. Der Verlauf zeigt, dass erst nach drei Monaten alle Einsatzkräfte mit den nötigen Accounts ausgestatten waren. Binnen dieser Zeit wurde auch eine kontinuierliche Steierung bei den Statusänderungen verzeichnet.
Bei den Statusänderungen ist im Dezember ein leichter Rückgang zu sehen. Dies ist durchaus normal, da der Nutzer das System nach einer Gewöhnungszeit besser kennt, Erfahrungen gesammelt hat und die Statusabgaben gezielter und effektiver erfolgen. Der Anstieg im Januar kann mit der eingeleitetem Testphase der Geofence-Funktion. Geofence ermöglicht die automatische Statusabgabe via GPS. Dadurch wird der Nutzer entlastet (manuelle Eingabe sind kaum noch notwendig) und die Angaben werden im Gegenzug genauer.
Die Möglichkeiten Termine, Umfragen und Mitteilungen sofort mit Feedback versenden zu können, wurde sehr gut angenommen. Hier ist erwähnenswert, dass auch in Einheiten, in denen die regelmäßige Nutzung der Statusabgabe nur bei ca. 50% der Mitglieder lag, die Rückmeldequote auf Termine und Mitteilungen bei über 85% mit steigender Tendenz liegt.
Die Einführung des Verfügbarkeitssystems erfordert von den ehrenamtlichen Mitgliedern der Feuerwehr ein komplettes Umdenken. Reagierte man früher nur auf einen Alarm und begab sich zum Gerätehaus – oder eben nicht –, ist es jetzt gewünscht, die Personalverfügbarkeit schon im Vorfeld von Einsätzen zu erfassen. Während Führungskräften den taktischen Vorteil eines solchen Systems schnell befürworten, da sie in die Lage versetzt werden schon vor einem Alarm reagieren zu können, hat dies für die Mannschaft auf den ersten Blick keinen Nutzen. Hier sind Transparenz, Kommunikation und Aufklärung gefragt.
DIVERA 24/7 bietet viele Möglichkeiten, die in der Anfangsphase nur teilweise genutzt werden konnten. Im Weiteren hat sich da System während der Testphase ständig weiterentwickelt und bietet neben Geofence auch Möglichkeiten in der sekundären Zusatzalarmierung. Verbesserte Ansichten und erweiterte Steuerungsoptionenfunktionen ermöglichen es den Führungskräften noch gezielter bei Personalengpässen gegenzusteuern.
Wenn Ressourcen immer knapper werden, muss man mit diesen sorgfältiger umgehen und auch genauer monitoren. Nur so kann sichergestellt werden, dass im Ereignisfall die bestmögliche Hilfe gewährt werden kann und es nicht zu vermeidbaren Verzögerungen kommt.
Es ist ebenfalls zu betonen, dass neben den Einsatzleitern und Führungskräften auch disponierende Einrichtungen wie die Leitstelle vom Einblick in die Personalverfügbarkeit profitieren können, beispielsweise um den Grundschutz bei überörtlicher Unterstützung möglichst effizient sicherzutellen. Die Leitstelle kann bei Anfrage nach überörtlicher Unterstützung den verfügbaren Kräfteansatz in Echtzeit sehen und ist sofort auskunftsfähig.
Die Einführung einer solchen Verfügbarkeitssoftware ist ein Prozess, der je nach Größe der Wehr mehrere Monate dauert. Neben den technischen Rahmenbedingungen bedarf es auch einer sorgfältigen Kommunikation zwischen Leitung der Wehr, den örtlichen Führungskräften und der Mannschaft – um für alle Beteiligten den vollen Nutzen zu realisieren.
Mit dem umfangreichen Datenmaterial rund um die Personalverfügbarkeit von gut 500 Feuerwehrangehörigen können sehr detaillierte Auswertungen für zur Bedarfsplanung erstellt werden. Damit stehen der Feuerwehr zukünftig neben dem Echtzeit-Schutzziel-Monitoring nicht nur umfangreichere, sondern auch genauere Analysen zur Verfügung. Mit diesen Analysen können Ursachen für Personalengpässe schnell erkannt werden.
Mittels statistischen Auswertungen können die Zeitfenster ermittelt werden, in denen quantitative oder qualitative Fähigkeitslücken auftreten. Wenn beispielsweise qualitative Fähigkeitslücken identifiziert wurden, weil zu wenig Maschinisten tagsüber verfügbar sind, so können im nächsten Schritt gezielt die Personen identifiziert werden, die im benötigten Zeitfenster die größte Verfügbarkeit haben. Diese gilt es dann mit den benötigten Fähigkeiten zu qualifizieren.